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Wie lange darf eine Rede sein?

Es gibt einen schönen Spruch, der besagt, dass man über alles reden darf, nur nicht länger als zwanzig Minuten.

In der Regel stimmt das auch, aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Selbstverständlich gibt es Persönlichkeiten oder Umstände, die es rechtfertigen, dass eine Rede auch mal länger dauert. Das Wichtigste dabei ist, dass die Angehörigen und Trauergäste sich nicht langweilen.

Ich versuche immer, ein würdiges Bild des Verstorbenen zu zeichnen, und möchte die Angehörigen auf eine Reise mitnehmen – eine Reise in die gemeinsame Vergangenheit, die auch in die Zukunft führt. Beim Schreiben setze ich mir kein Limit; ich schreibe so lange, bis ich denke, dass es passt. Natürlich erkenne ich, wenn ich über das Ziel hinausgeschossen bin. Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als die Rede zu kürzen. Das ist in der Regel nicht schwierig, da ich es gewohnt bin, mit Sollbruchstellen zu arbeiten.

Meist sind mir ohnehin Grenzen gesetzt. In Berlin haben wir die 30-Minuten-Bestattung. Wenn die Angehörigen Musik wünschen und jedes Stück drei bis vier Minuten dauert, verkürzt sich die Redezeit automatisch – besonders, wenn im Anschluss gleich die nächste Bestattung stattfindet.

Was macht einen guten Redner aus?

Ich bin mir nicht sicher, ob es hierfür eine wirklich eindeutige Antwort gibt. Für die einen muss ein guter Trauerredner ein bestimmtes Alter haben, für die anderen ist die Stimmfarbe entscheidend. Natürlich sollte eine gute Trauerrede so vorgetragen werden, dass sie von jedem akustisch gut verstanden wird. Hält man die Rede am offenen Grab mit vielen Trauergästen, braucht der Redner unter Umständen eine Beschallungsanlage. Als Redner sollte ich gut vorbereitet sein, einigermaßen frei sprechen können und mich nicht von weinenden Trauergästen oder Babys irritieren lassen. Manche Redner haben die Rede ausformuliert, anderen genügen Stichworte. Ich selbst formuliere lieber aus, weil es mich davor bewahrt, Fehler zu machen.

Stilistisch hat jeder Trauerredner seine Eigenheiten, und es liegt am Vorgespräch, zu entscheiden, welchen Weg man für die Trauerfeier einschlägt. Selbstverständlich würde ich für eine politische Persönlichkeit oder jemanden, der in der freien Wirtschaft bekannt ist, einen anderen Ton anschlagen als für einen Fußballfan, der für seine Geselligkeit und seinen Humor gewürdigt werden soll. Diese Entscheidung wird im Vorgespräch zusammen mit den Angehörigen gefällt. Für mich zeichnet sich ein guter Redner dadurch aus, dass er seine Worte nicht gekünstelt in die Länge zieht, nicht mit überzogenen, bedeutungsschwangeren Pausen arbeitet und nicht zum Prediger wird, dessen übertrieben modulierte Stimme den Wunsch aufkommen lässt, dass es bald vorbei sein möge.

Für mich dürfen auch Füllwörter in einer Rede vorkommen, die sich am normalen Sprachgebrauch orientieren. Es geht schließlich nicht darum, in der Tagesschau einen Nachrichtenartikel vorzulesen oder einen Wettbewerb im Auswendiglernen zu gewinnen. Ich rede als Mensch über einen Menschen und vergesse dabei nicht die Gefühle der Anwesenden.

Dürfen Redner Fehler machen?

Nein - Ja.

Als Trauerredner trägt man eine besondere Verantwortung, denn es geht darum, den Abschied von einem geliebten Menschen in Worte zu fassen und den Angehörigen Trost zu spenden. Doch bei aller Sorgfalt und Vorbereitung stellt sich die Frage: Dürfen einem Trauerredner Fehler passieren?

Die einfache Antwort lautet: Jein, Fehler dürfen passieren – wir sind alle Menschen, und gerade in einem so emotionalen Umfeld wie einer Trauerfeier können auch Trauerredner von ihren Gefühlen überwältigt oder durch äußere Umstände abgelenkt werden. Ein kleiner Versprecher, ein kurz verloren gegangener Gedanke – solche Fehler machen den Redner nicht schlechter, sondern zeigen auch eine gewisse Menschlichkeit und Authentizität.

Wichtig ist, wie man mit einem Fehler umgeht. Anstatt ihn zu ignorieren oder in Panik zu verfallen, sollte man ruhig und selbstbewusst weitermachen. Die meisten Anwesenden werden gar nicht so stark darauf achten, und in einem so emotionalen Moment zählt vor allem die Intention hinter den Worten. Es geht darum, den Verstorbenen zu ehren und den Angehörigen eine Stütze zu sein, nicht um Perfektion.

Auch kleine Fehler können in einer Trauerrede einen gewissen Charme haben, sie können sogar dazu beitragen, dass die Rede echter und nahbarer wirkt. Die Hauptsache ist, dass der Redner authentisch bleibt und die Gefühle und Erinnerungen der Anwesenden respektiert.

Trauerreden sind keine Theatervorführungen, in denen jedes Wort und jede Geste perfekt sitzen muss. Sie sind Momente, die Menschen zusammenbringen, um in Liebe und Respekt Abschied zu nehmen. Ein kleiner Fehler, der menschlich wirkt, kann das sogar noch verstärken.

Fehler dürfen also passieren – was zählt, ist, dass die Botschaft des Abschieds und des Trostes im Vordergrund steht.

Tatsächlich ist es mir ein einziges Mal passiert, dass ich wirklich einen groben Fehler gemacht habe, weil ich nicht auf die richtige Formulierung geachtet hatte. Im Trauergespräch hatte mir der Schwiegersohn der verstorbenen Schwiegermutter gesagt, dass er sie "oft fast lieber besucht hat" als seine Eltern. 

Dummerweise habe ich diesen Satz so übernommen, weil ich das Besondere herausstellen wollte. Leider kam mir nicht in den Sinn, dass die Eltern des Herrn auch bei der Beisetzung sein könnten. Das waren sie und sie empfanden es zurecht, alles andere als lustig. Zu meinem Pech handelte es sich auch um die erste Bestattung für einen Bestatter. Der hat sich nach der darauffolgenden Beschwerde leider nie wieder bei mir gemeldet. Bestatter geben Rednern oft keine zweite Chance, egal wie gut der Rest war. Es war mir eine Lehre.

 

Welche Arten von Trauerreden gibt es?

Der Unterschied in den Trauerreden liegt im Anteil persönlicher Informationen, Geschichten, Anekdoten oder Aussagen von Freunden und Familienmitgliedern, die in der Trauerfeier wiedergegeben werden.

Mitunter wünschen sich Angehörige eine ausschließlich berufliche Würdigung des Verstorbenen. In diesem Fall sollen sein Leben und Wirken in den Vordergrund gerückt werden. Die Hinterbliebenen möchten dann ganz bewusst nicht, dass private Informationen und Erinnerungen bei der Beerdigung öffentlich werden.

Es kann aber auch vorkommen, dass der Mensch, der zu Grabe getragen wird, im klassischen Sinne kein "Guter" war. Themen wie häusliche Gewalt oder Missbrauch spielen da oft eine Rolle. Da der Friedhof und die Bestattung nicht der Ort sind, um abzurechnen, möchten die Familienmitglieder aus verständlichen Gründen kein Hervorheben der Persönlichkeit. In solch einem Fall wird man eher auf Fakten, Daten und Stationen des Lebens eingehen.

Die Mehrheit der Trauernden möchte jedoch ein buntes Bild des Verstorbenen bekommen und freut sich auch, wenn Informationen auftauchen, die so nicht bekannt waren, wie zum Beispiel drei Vornamen. Die meisten Menschen möchten auch bei der Bestattung mal schmunzeln und an witzige Ereignisse oder unausstehliche Macken erinnert werden. Sie wollen nochmals die Stimme im Ohr haben, bewusst die Augen schließen und sich mit einem Lächeln erinnern.

 

Wie schreibe ich eine Grabrede und wie bereite ich mich auf die Bestattung vor?

Jetzt wird es wirklich enttäuschend: Ich stehe nicht vor dem Spiegel und übe, als ob ich auf der Bühne stünde. Ich lese mir die Rede zwei- bis dreimal durch, und einmal davon laut, um Stolperfallen zu erkennen. Mehr braucht es nicht.

Und wie gehe ich beim Schreiben einer Trauerrede vor?

Ich habe kein System, kein Patentrezept und benutze auch keine abgedroschenen Redewendungen, die ich nur mit neuen Informationen fülle. Ich persönlich schreibe einfach drauf los und lasse mich von meiner Intuition leiten. Zwischendurch überprüfe ich Angaben aus dem Vorgespräch mit den Familienangehörigen und streiche durch, was ich in die Rede aufgenommen habe. Es gibt jedoch keinen festen Rahmen, der eingehalten werden muss. Manchmal hat man so viele Informationen, dass man ein Buch damit füllen könnte. Ein anderes Mal muss man sich schon sehr bemühen, um eine Mindestlänge zu erreichen, weil einfach zu wenige Informationen vorliegen. Schema F gibt es einfach nicht – und das ist auch gut so. Denn für mich ist wichtig, dass die Bestattungsreden eine individuelle Persönlichkeit widerspiegeln. Wir Menschen und unsere Leben entstehen ja schließlich auch nicht durch Copy und Paste.

 

wie muss man sich das Trauergespräch vorstellen?

Zum vorbereitenden Trauergespräch treffe ich mich am liebsten mit mehreren Angehörigen und Freunden, die mir aus ihrer persönlichen Perspektive erzählen, was der bzw. die Verstorbene für ein Mensch gewesen ist und was ihn oder sie ausgezeichnet hat. Im Vorfeld verschicke ich einen Fragenkatalog, damit man sich vorbereiten kann, da einem nicht immer sofort etwas einfällt. Ich versuche dann durch zahlreiche weitere Fragen, ein rundes Bild zu bekommen und bunte Geschichten aus dem Leben und Wirken zu erhalten. Das ist oft nicht einfach, vor allem, wenn der oder die Verstorbene allein gelebt hat und wenig soziale Kontakte bestanden.

Ein solches Gespräch ist emotional meist sehr aufwühlend, und oft fallen einem nicht sofort die richtigen Dinge ein. Man darf mir aber jederzeit Erinnerungen per E-Mail nachreichen; ich arbeite diese dann in die Rede ein, selbst wenn sie bereits geschrieben ist.

 

Kann ein Familienmitglied oder Freund selbst eine kurze Rede halten?

Ja, unbedingt!
Jeder kann auch selbst eine Trauerrede halten, und vielfach werden die Angehörigen dazu ermutigt, dies zu tun, zum Beispiel in Form eines Briefes. Es besteht jedoch eine kleine Gefahr: Der Redner oder die Rednerin kann durch seine oder ihre Emotionen daran gehindert werden, das zu sagen, was aufgeschrieben wurde. Man weint, ist verwirrt und wird oft von den Erinnerungen regelrecht überwältigt.

Das ist der Grund, weshalb ich eher davon abrate, es selbst machen zu wollen, wenn man sich nicht sicher ist. Aber wer gut formulieren, frei sprechen und seine Emotionen einigermaßen im Griff hat, sollte es tun.

Ich mag es auch, wenn Freunde sich zusammentun und jeder drei Minuten bekommt, um das zu erzählen, was ihm oder ihr am Herzen liegt. Aber auch das ist verdammt schwer, wenn man so etwas noch nie zuvor gemacht hat. Deshalb rate ich auch hierbei dazu, einen Trauerredner einzusetzen, der anstelle der Trauergäste spricht. So haben alle Raum, Abschied zu nehmen – ohne Wenn und Aber.

Ich hatte es schon einige Male, dass ich meine Rede für einige Minuten unterbrochen habe, damit Freunde oder Angehörige etwas sagen konnten. Das finde ich persönlich eine ziemlich schöne Sache und ermögliche ich sehr gern. 

 

Darf auf einer Trauerfeier auch gelacht werden?

Ja, natürlich darf gelacht werden, unbedingt sogar. Es dürfen auch die unglaublichsten Songs gespielt werden. Es sollte nicht darauf ankommen, wie die Trauerfeier und Bestattung von Außenstehenden aufgenommen und beurteilt wird. Es geht einzig und allein um die Gefühle der Menschen, die Abschied nehmen. Vor allem steht die oder der Verstorbene im Mittelpunkt und nicht die Gäste. Das ist der Grund, weshalb ich keine Gäste mit Namen begrüße und aufzähle.  Es geht um den Verstorbenen. 

Es dürfen auch die schrecklichsten Songs gespielt werden. Es geht nicht darum, unseren eigenen Geschmack zu treffen, sondern darum, einen geliebten Menschen zu würdigen, mit dem, was er oder sie mochte. Wir würden einen berühmten Dichter ja auch nicht mit den Werken eines anderen ehren, nur weil wir dessen Arbeit nicht schätzen, oder?

Und bitte denken Sie nicht: Aber das macht man nicht. Doch, darf man!

 

Welche Wirkung soll eine Rede zum Abschied haben?

Wir wollen uns verabschieden und nochmals in Erinnerungen schwelgen. Im Geiste sprechen wir mit dem Verstorbenen und sagen die Dinge, die wir nicht mehr laut aussprechen konnten. Manchmal ist die Trauerfeier auch die letzte Möglichkeit, sich zu verzeihen und zu vergeben. „Reinen Tisch machen“, sagen viele dazu. Deshalb dürfen auch Dinge benannt werden, ohne den Charakter zu haben, dass jetzt abgerechnet wird. 

Eine Trauerfeier hat viele Ansprüche, und die Trauerrede soll dabei helfen. Doch ist die Rede kein Instrument um drauf zu hauen, sondern eine  Erinnerung an ein Leben, wie auch immer es war. Sie bietet die Möglichkeit, Erinnerungen zu zementieren, die bleiben und einem gut tun. Erinnerungen, die helfen, dem Leben wieder neu zu begegnen, wenn die Trauer ein wenig nachgelassen hat.

 

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